Es gibt da diese ikonische Anfangsszene in “A Clockwork Orange”. Der Protagonist Alex schaut bedrohlich in die Linse, am rechten Auge hängen lange künstliche Wimpern. Die Kamera zoomt heraus und Alex erhebt sein Milchglas, als würde er uns zuprosten. Plötzlich wirkt er wie ein Kind, das Erwachsener spielt, samt Hut und Hosenträger. Denn welcher Erwachsene trinkt schon ernsthaft Milch?
Tatsächlich findet man viele Milchprodukte in Filmen. Milch trinken nicht nur merkwürdige Möchtegern-Männer, Milch macht auch miese Missetäter menschlich. “Inglourious Bastards” Bösewicht SS-Standartenführer Hans Landa genießt während eines Verhörs ein frisches Glas. In “No Country For Old Men” und “Leon der Profi” trinken eiskalte Serienkiller lauwarme Molkereiprodukte.
Doch durch das Aufkommen von Milchersatzprodukten wird dieses altbewährt, symbolische Getränk zunehmend gefährdet. Ob Soja, Hafer, Mandel oder Kokos, die Auswahl an neuen Metapher-Möglichkeiten ist schier unendlich. Kühlschränke voller Oatlys Produkte stehen für ein Leben im Luxus, während die gute Alpro Sojamilch so 0815 ist, dass sie in jeder College-Komödie Platz hätte.
Und welcher milchtrinkende Fiesling soll uns 2021 noch Angst einjagen? Auch Nazis und Auftragskiller müssen umweltbewusst sein. Hafermilch steht in den Kühlschränken linksautonomer Zentren. Kuhmilch dagegen, ist die Getränkifizierung der Jungen Union. Hoffentlich warten wiir nicht mehr lange auf rebellische Filmfiguren, die sich an Reis oder Quinoa-Drinks erlaben.
Vielleicht braucht es auch ein spezifischeres Getränk, dass Bösewichten ihren beängstigenden Charme zurückgibt. Mein Vorschlag wäre Mandelmilch. Die ist nämlich der Wolf im ökologischen Schafspelz: Ihre Produktion verbraucht enorme Wassermengen und tötet kalifornische Bienen. Ein würdiger Nachfolger.
