Nekrolog zur Videothek meiner Kindheit

Nekrolog zur Videothek

In Gedenken an Movies

1998-2016

verstorben durch den Aufstieg der Streamingdienste Netflix und Prime.

Als Cineast trauere ich, auch Jahre nach ihrem tragischen Ableben, Movies, der kleinen Videothek in meiner Heimatstadt hinterher.

Von Kindheitsjahren an war sie mein treuer Weggefährte an tristen Winterabenden, ein Refugium vor Einsamkeit und Langeweile. Die vielen kleinen Rituale beim Gang zur Videothek fehlen mir heute: Filmische Fachsimpeleien mit anderen Stammkunden. Das gemütlichen Schlendern durch die langen Regalreihen auf der Suche nach bisher unbekannten Schätzen. Das sorgfältige Studieren der Cover-Designs und Klappentexte auf den Plastikhüllen der DVDs. Und sogar das Einführen der Disk in den Spieler – in Ungewissheit, worauf man sich an diesem Freitagabend eingelassen hatte.

Movies, ein gefliester, grauer Laden am Rande der Stadt, durch dessen trübe Fenster die Umrisse der Pappfiguren stets auf mich warteten, versprach Begegnung und Berührung. Dank gebührt an dieser Stelle den Menschen, die all das möglich machten. Menschen, die im Verleih von Filmen ihre Berufung fanden, immer eine persönliche Empfehlung und ein paar witzige Worte auf den Lippen. Was von Movies bleibt, sind die Erinnerungen: Zwei Euro für eine schillernde Kunststoffscheibe voller Abenteuer, eine “Ghettofaust” von Manolo, dem DVD-Dealer, und ein paar Worte der Ermutigung, meiner Leidenschaft zu folgen. Sie wirken bis heute.