Wenn Präsidenten Filme Schieben

Eine aufblasbare Trump Figur, die eine KuKluxKlan Kappuze hält

Als das Kapitol letzte Woche von Verschwörungstheoretikern, White Supremacists und anderen radikalisierten Anhängern des (noch) Präsidenten gestürmt wurde, fühlte man sich, wie bei dem Klimax eines uninspirierten Biopics. Um die Ereignisse zu verstehen, hilft ein Blick auf die Rolle des Präsident in Filmen, ihre Selbst- und Fremdinszenierung und die Wechselwirkung von präsidentieller Bildsprache in Filmen, Nachrichten und Propaganda. 

Wenn man Hollywoods Blockbuster Ästhetik, Sprache und Dramaturgie auf Trumps Präsidentschaft überträgt, erkennt man, wie seine Rolle als Präsident wahrgenommen werden soll und wird. Trump ist Regisseur und Hauptdarsteller dieser Rolle, deren fiktives Ausmaß die Wirklichkeit schon längst gesprengt hat.

Bildsprache und Propaganda

Bereits 1897 dokumentieren Kameras die Inauguration von Willam McKinley. In den nächsten Jahrzehnten finden Filmemacher*innen immer effektivere Einstellungen, für politische (Propaganda-)Filme. Die besten Beispiele dafür sind Leni Riefenstahl’s Arbeiten für das NS Regime. “Triumph des Willens” (1935) ist z.B. eine Machtdemonstration, dessen filmisches und kostspieliges Ausmaß, den (kulturellen) Reichtum, des deutschen Reiches demonstrieren soll. Nahaufnahmen vom Führer suggerieren Nähe zum Volk und spektakuläre Menschenmassen und prunkvolle Gebäude unterstreichen die Überlegenheit der Nation. Zu Beginn des Films steigt Hitler in seinem Flugzeug aus dem Himmel herab, genau wie Trump 2015 von der Rolltreppe steigt. Diese pompösen und sakralen Bilder findet man noch heutzutage in Übertragungen von Reden, Paraden und besonders auf der großen Leinwand.

Hitler beim Parteitag

Trumps Inauguration

Trumps Team bearbeitete die Bilder von seiner Inauguration, um die Menschenmassen größer wirken zu lassen, wie Riefenstahl es auch in “Triumph des Willens” tat.

Die inszenierte Bildsprache, die sich vor allem aus der Propaganda entwickelt hat, wird in fast jedem Medium aufgegriffen: In journalistischen Formaten, Spielfilmen oder Wahlwerbungen. Die Bilder sind überwältigend und können Massen emotionalisieren und mobilisieren. Sie entsprechen unseren Vorstellungen des Präsidentiellen und benutzen Filmtechniken, die Ehrfurcht erwecken.

The President´s Speech

Ein weiterer Aspekt der Präsidentschaft, der in Filmen aufgegriffen wird und bei dem Trump sich an Filmen orientiert, sind Reden. Sie sind oft der Höhepunkt filmischer und präsidentieller Dramaturgie. Wenige Worte können repräsentativ für eine Amtszeit werden. Sie spiegeln den Zeitgeist, geben der Bevölkerung wieder das Gefühl in der “Greatest Democracy of the World” zu leben. Obamas “Yes We Can!”, Lincolns Gettysburg Address oder Bushs Ansprache nach 9/11. In “Independence Day” (1996,wohlgemerkt vom deutschen Regisseur Roland Emmerich) hält der Präsident die vielleicht letzte Rede vor dem Ende der Welt: 

“We will not go quietly into the night. We will not vanish without a fight. We’re going to live on. We’re going to survive.”

In solchen Reden beweisen Charaktere ihre unbeugsame Stärke. Die Sprache, die sie benutzen, ist die Sprache der Selbstgerechten. Trumps Ansprache an seine Anhänger, kurz bevor diese das Capitol stürmten, könnte von den gleichen Drehbuchautor*innen geschrieben sein:

“We will never give up, we will never concede. […] because you´ll never take back our country with weakness. You have to show strength.”

Diese Worte richten sich an die Wahrnehmung von Trumps Anhängern, unterdrückt zu werden und sich im Kampf zu befinden. Für sie steht die Welt kurz vor dem Ende, wie bei der fiktionalen Alien Invasion. Man könnte diese Rede als Klimax von Trumps Handlungsbogen betrachten. Eine Präsidentschaft mit einer Hauptfigur, die aus einer fiktionalen Welt herausgegriffen scheint.

Die (fiktive) Rolle des Präsidenten

Einen ähnlich fiktiven Präsidenten findet man in “Gabriel Over The White House”, der 1933 (also vor “Triumph des Willens”) erschien und wahrscheinlich der einzige Hollywood Film ist, in dem ein Präsident die Demokratie abschafft. Er wird dadurch jedoch nicht zum Antagonisten. Seine Diktatur hilft ihm, die Arbeitslosigkeit abzuschaffen, Kriminalität zu beenden und Weltfrieden zu erreichen. Der Erfolg des Films verdeutlicht, was die amerikanische Bevölkerung von ihren Präsidenten erwartet. Es ist die Vorstellung eines “Strong Man”, der hart durchgreift.

Trump ist nicht der erste Präsident, der diesen Filmcharakter spielt. Aber Trump hat diesen Charakter als erster wirklich konsequent umgesetzt. Losgelöst von der Sprache des Amtes, angeblich ohne Drehbuchautor*innen, die seine Rolle schreiben. Trump hat aber auch erkannt, dass Präsidenten nicht nur Entertainer, sondern auch Entertainment sind. Das bestätigen die zahlreichen Blockbuster, Netflix-Dokumentationen über Alexandria Ocasio-Cortez oder Stacey Abrams und Fernsehevents – von Wahlen zu Live-Debatten, bei denen es immer um Show und Einschaltquoten geht.

Trump hat schon vor seiner Präsidentschaft, die eigene Inszenierung zur Marke gemacht und Medien dazu gebracht, seiner Bildsprache zu folgen. Dass er nun das Amt abgeben muss, bedeutet auch, seine Rolle nicht mehr spielen zu können. Denn niemand will Filme über Ex-Präsidenten sehen.