Glücklich wie Lazzaro

Lazzaro läuft durch ein Tabak Feld

Alice Rohrwacher´s bildschönes Märchen ist eine Parabel auf die Ausbeutung von Arbeiter*innen und die Absurdität der Klassengesellschaft. Zugleich ist es ein intimes Portrait eines bedingungslos guten Menschen, der von seinen Mitmenschen belächelt, ausgenutzt und missverstanden wird.

Die erste Hälfte des Films befinden wir uns auf einem italienischen Gutshof, auf dem Arbeiter*innen schwer für ihre Herrin – die Marquise – schuften. Unter ihnen ist Lazzaro, ein junger, naiver, aber tüchtiger Helfer, der allen ihre Gefallen erfüllt. Der Sohn der Marquise wird Lazzaros Freund und weiht ihn in seine vorgetäuschte Entführung ein, die schon bald zu Unruhen am Hof führt.

“Glücklich Wie Lazzaro” fühlt sich an wie eine Zeitreise in eine alternative Vergangenheit. Der Hof ist von der Welt abgeschnitten, wann die Geschichte stattfindet wird erst spät klar. Die Regisseurin Alice Rohrwacher baut eine erzählerische Brücke zwischen der heutigen Stadt und dem vorindustriellen Landsitz. Dabei erschafft sie immer wieder bezaubernde Situationen, die die Charaktere vertiefen und einen gesamtgesellschaftlichen Bogen spannen.

Der Film verbindet magischen Realismus mit dokumentarfilmischen Elementen und entfaltet seine märchenhafte Analogie mit der Leichtigkeit und Präzision großer Poetik. Zudem ist Lazzaro ein beeindruckender und liebenswürdiger Protagonist. Seine dunklen Augen und die belustigte Stimmlage, mit der er Dinge wiederholt, reflektieren die Welt um ihn in einem schöneren Licht.

Lazzaro sitzt auf dem Boden und schaut herunter ins Tal

Einmal sagt die Marquise mit Blick auf Lazzaro, dass es schlichtweg unmöglich sei, dass er ausgebeutet wird, aber niemanden selbst ausbeute. Lazzaro aber ist ein guter Mensch. Vielleicht der Einzige. Er befolgt Aufgaben und kümmert sich um die, die ihm nahe stehen.  Er ist eine zeitlose Figur: Ein Simpel mit offenem Herz und ohne Agenda, ähnlich wie Dostojewskis Idiot oder Grimmelshausens Simplicissimus. 

Adriano Tardiolo strahlt in der Rolle die Ruhe und Selbstlosigkeit eines Propheten aus. Lazzaros gutherzige Art gibt uns eine einfühlsame Perspektive auf die anderen tragischen Figuren am Hof, die ihre Ausbeutung als Gegebenheit sehen.

Rohrwacher nähert sich diesen Menschen mit großer Zuneigung an. Der analoge 16mm Film verleiht ihnen Glaubhaftigkeit und menschliche Wärme. “Glücklich wie Lazzaro” schafft, was ein Epos über Ausbeutung, Klassenbewusstsein und gesellschaftliche Ausgrenzung selten erreicht: Er stellt das Gute im Menschen in den Mittelpunkt.

„Glücklich Wie Lazzaro“ läuft jetzt auf MUBI