Nimic

Der Protagonist sitzt mit seinem Cello in der U-Bahn

Mit seinem neuen Kurzfilm “Nimic” kehrt der griechische Regisseur Yorgos Lanthimos zurück in eine absurde Paralleldimension, in der alles möglich ist, aber dennoch Regeln befolgt werden müssen.

Die Eier müssen perfekt gekocht werden, die Saiten die richtigen Noten produzieren, die Frau und Kinder lachen glücklich, wie aus der Werbung ausgeschnitten. Den Protagonisten, gespielt von Matt Dillon, lernen wir als Familienvater und Cellist in einem hochklassigen Orchester kennen. Was seinen Charakter ausmacht, bleibt uns verborgen. Vielmehr beobachten wir, wie er seinen Alltag mit mechanischer Fürsorge ausführt. Auf seinem Heimweg begegnet er einer unbekannten Person (Daphne Patakia), die anfängt, ihn zu imitieren und sich daraufhin wie ein Parasit in sein Leben einnistet.

Lanthimos ist bekannt für die sonderbaren Welten, die er aufbaut. Welten, die unserer Eigenen gleichen, uns aber zutiefst verstören können. Menschen, die sich an arbiträre Regeln halten, weil es ihnen so angeordnet wird. Dialoge, in denen Emotionen fehlen und Sprache zum mechanischen Werkzeug degradiert wird. Absurde Umstände, die einfach so hingenommen werden. Dabei steckt in diesen brutalen, philosophischen Hypothesen auch eine Aufforderung an die Zuschauer*innen, sich selbst in dieser grotesken Realität wiederzufinden und aus ihr auszubrechen.

“Nimic” bringt uns dazu, uns vorzustellen, wie ersetzbar wir wären. Haben wir lediglich eine uns zugeteilte Funktion, die wir erfüllen müssen? Sind wir nur “Vater” oder “Mutter”? Vor die Aufgabe gestellt, ihren Vater zu identifizieren, antworten die Kinder lediglich:

“How should we know? We’re only kids.”

In dieser Welt sehen sich Menschen lediglich in Rollen, die wie ein Instrument gelernt werden können und einer übergeordneten, unausgesprochenen Regelung Folge leisten müssen.

Lanthimos inszeniert die Geschichte mit großer Dramatik und effektiv rhythmischem Schnitt. Die weitwinkligen, grellen Bilder geben uns ein unwohles Gefühl, als dränge jemand in unsere Privatsphäre ein. Und trotz der etwas forcierten Merkwürdigkeit, wirft “Nimic” viele Fragen auf, für die es keine geregelten Antworten gibt. Lanthimos schafft, eine Version unserer Welt, die uns Angst macht, weil sie entfremdet ist, in der wir uns aber noch wiederfinden können.

“Nimic” läuft jetzt auf MUBI.