Der Hunger nach Entsetzen

Der Schwanz des Aliens rankt sich um das berstende Ei

Herzklopfen, Schwitzen, Gänsehaut – so reagiert mein Körper bei einem mitreißenden Filmtrailer. Diese aufgeladenen Gefühlsbomben, kommerzielles Beiwerk der Filmkunst, folgen einem eigenen dramaturgischen Konzept und müssen jede Sekunde mit dem Versprechen nach großen Emotionen, Spannung und Neuartigkeit füllen. das beste Beispiel dafür, wie man es richtig macht, ist bereits über 40 Jahre alt: Der zweite Trailer für den Sci-Fi-Horror-Klassiker „Alien“ (1979) von Ridley Scott.

Der Trailer umgeht mühsame Exposition und konzentriert sich stattdessen allein auf die düstere, unheilvolle Stimmung des Films – mit ungewöhnlichen Methoden: Der Trailer beginnt mit Testaufnahmen eines Hühnereis in einem spärlich beleuchteten Studioset. Das harmlose Ei wirkt in der extremen Vergrößerung fremdartig und anorganisch und bereitet damit auf die Stimmung des Films vor. Erst in der zweiten Hälfte des Trailers kommt Material aus dem Film selbst zum Einsatz. Bruchstückhafte Filmaufnahmen werden, unter dem markerschütternden Pochen des Soundtracks, in einer hektischen und immer schneller, immer lauter werdenden Dramaturgie aneinandergereiht, bis diese sich in ein kreischendes Crescendo grausiger Nahaufnahmen steigert und dann jäh wieder abfällt. Statt einer sensationalistischen Aufnahme des Monsters, endet der Trailer mit einer Totalen, die das Raumschiff “Nostromo” vor einem gewaltigen Planeten zeigt – untertitelt mit den ebenso schaurigen, wie einprägsamen Worten: „in space, no one can hear you scream“.

Im Alien-Trailer wird bewusst von expliziten Bildern abgesehen. Scott versteht die Macht, die von der Enthüllung der konkreten Erscheinung ausgeht und behält sich die Schockmomente für den finalen Film vor. Anstatt den Appetit des Publikums voreilig befriedigen zu wollen, schürt Scott Hunger. Und beweist, dass Horror-Trailer auch ohne behäbige Exposition und plötzliche Jumpscares auskommen. Der Alien-Trailer lässt fürchten, ohne sich zu entkleiden – und nährt damit genau das beklemmende Gefühl des Unwissens und Unbehagens, dass die Zuschauer damals reihenweise in die Kinos gelockt haben muss.