La Planète Sauvage

Drei Mitglieder der Draag-Spezies spüren mithilfe von Hausmenschen die Verstecke der wilden Menschen auf, um diese auszurotten.

Dass sich Animationsfilme in ihrer grenzenlosen darstellerischen Freiheit fiktiver Welten auch an düstere Szenarien und grausame Themen heranwagen können, zeigt René Laloux‘ experimenteller Science-Fiction-Film „La Planète sauvage“ aus dem Jahr 1973. In fantasievollen Bildern wird eine außerirdische Welt dargestellt, in der Menschen wie Tiere gehalten und gewaltsam verfolgt werden.

Auf dem Planeten Ygam, der Heimat der hochentwickelten Draag-Zivilisation, ist es üblich, Menschen, sogenannte „Om“, als Haustiere zu halten. Immer häufiger werden aber von den Draag Säuberungsaktionen durchgeführt, um die sich schnell vermehrende Population der wilden Menschen unter Kontrolle zu bringen, die sich gegen ihre Unterdrücker auflehnen.

Nicht nur die zahllosen grausamen Tötungen und Gewaltakte, die im Film in langen Passagen inszeniert werden, sondern auch die Welt selbst, machen den Film zu einer außerordentlich schaurigen Erfahrung. Ygam wird bevölkert von eigenartigen Pflanzen und merkwürdigen kaum beschreiblichen Tierwesen. Die Draag selbst sind blaue Riesen mit furchteinflößenden roten Augen. Ihre Architektur und Technologie erinnert an bunt geschmücktes Kinderspielzeug, ihre Vernichtungsmaschinen an Spielbälle, Staubsauger und Rasenmäher.

Die französisch-tschechoslowakische Koproduktion strotzt vor Fantasie und Ideenreichtum und unterscheidet sich technisch von anderen Trickfilmen der Zeit: Durch steife, handgezeichnete Animationen werden im Film die fremdartigen Schauplätze und unheimlichen Kreaturen zum Leben erweckt. Begleitet wird der alptraumhafte Trip durch psychedelische Jazzmusik und eine nervenaufreibende Soundkulisse.

Die Menschen beginnen, sich gegen die Draag aufzulehnen und töten unter hohen Verlusten einen der blauen Giganten.

Obwohl der Film Unterdrückung, Verfolgung und Vernichtung thematisiert, erweist sich der Versuch, „La Planète sauvage“ eine politische Botschaft zu entlocken, als recht ernüchternd. Der Film wird häufig als Kritik an unwürdiger Tierhaltung oder sogar Rassismus rezipiert. Naheliegend, denn die Draag behandeln die Ausbreitung der Om wie einen Schädlingsbefall. Jeglicher Intellekt wird dem „Ungeziefer Mensch“ abgesprochen. Wenn auch das grundsätzliche Szenario des Films diese Assoziationen schnell hervorruft, muss man jedoch leider feststellen, dass die Motive in der Handlung kaum vertieft werden. Vielmehr im Zentrum scheinen die Widerstands- und Anpassungsfähigkeit des Menschen und sein Drang nach Freiheit zu stehen.

Wer sich weniger mit postkolonialistischer Aufarbeitung auseinandersetzen, und sich stattdessen lieber in einer fantasievoll gestalteten, aber von Gewalt und Überlebenskämpfen geprägten Welt verlieren möchte, findet mit dem wilden Planeten eine 110-minütige Reise ins Fantastische vor, die aus Hollywood bekannte Kreativitätsstandarts um Welten übertrifft.

“La Planète sauvage” läuft jetzt auf MUBI.